Les'- Bar - Dietrich Wilhelm

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü

Les'- Bar

Auf dieser Seite erscheinen abwechselnd Leseproben aus meinen Büchern.

Meinungen, Gedanken oder auch Kommentare zu den Texten nehme ich gerne über das Kontaktformular entgegen.

Euer Dietrich Wilhelm

*************************************************************************

Aus dem Buch: Über - Leben
eingestellt:  15.03.2024




Steinzeit


Steine, rund herum;
Große und auch Kleine


Steine, tief im Bett;
Wasser spült sie reine


Steine, hoch hinaus;
Säulen gleich, wie Beine


Steine, schwer im Herz;
sehr oft ich weine


Steine, glühend heiß;
uns're Sonne scheine


Steine suchen Steine;
sie viel zu oft alleine


Steine, irgendwann
zu Sand, ganz feine


Steine, die ich fand;
wunderschöne, wie ich meine




....und am Ende des Weges fühle ich mich  steinreich!!


*************************************************************************

Aus dem Buch: Augen - Blicke
eingestellt: 04.  November 2022


Knoten


Hast Du denn keinen Hunger?

Ja!!

Wie bitte?

..ha, ha ha haa; tut mir leid, dass ich so lachen muss.

Und warum hast du gelacht?

Weil du mich gefragt hast, ob ich „keinen“  Hunger habe.

Eine ganz normale Frage!

Natürlich nur in deinem Sinne.

Nicht nur in meinem.

Ich möchte es dir gerne erklären.

Darum bitte ich auch.

Neulich habe ich Reinhold, unseren gemeinsamen Bekannten aus unserer Jugendzeit besucht.
Er wohnt, wie du ja weißt, mit seiner Mutter in einer Stadt in nördlichen Landen.

Ach ja, wie geht’s ihnen?

Gut, recht gut.

Es wird schon immer gesagt, dass dort unsere Sprache weithin in der reinsten Form gesprochen wird.

Stimmt, nahezu dialektfrei soll dort gesprochen werden.

Aber nicht nur das. Auch das Sprachbild ist ein deutlich verschiedenes, es ist klarer und verständlicher.

Wie denn dieses?

An deiner Frage möchte ich es dir erklären.
„Kein Hunger haben“ setze ich gleich mit „satt sein“. Deshalb habe ich ja auch mit „ja“ geantwortet.
Reinholds Mutter würde in diesem Fall so fragen:  „bist du satt?“.

Bei deiner Fragestellung wird hierzulande gewöhnlich mit „nein“ beantwortet.
„Kein Hunger haben“ ist eine Negativaussage die dann auch noch negativ beantwortet wird.
Die Folge ist: Durch negative Antwort wird die negative Frage verschlüsselt positiv bestätigt.

Bezüglich Sprachbild vergleiche doch bitte beide Frageformen miteinander:

- Hast du keinen Hunger?

oder anders

- Bist du satt?

Ein deutlicher Unterschied sogar!

Reinholds Mutter hat mich allerdings nie ausgelacht. Nur manchmal in den drei Wochen gelächelt. Im Nachhinein haben wir uns über gemeinsame Wortspielereien sehr amüsiert.
Ein paar nette Beispiele fallen mir ein:

„Ich gehe nicht davon aus, dass Keiner einen Nachtisch haben möchte“

„Nächste Woche gehe ich nicht dorthin, weil ich an keinem Tag keine Zeit habe“

Nicht ganz so auffällig aber sehr häufig wird bei uns „nicht“ in Verbindung mit  „un…“ formuliert; wie zum Beispiel, es ist nicht ungewöhnlich, …nicht ungefährlich, …nicht unbedeutend und viele andere mehr.
Dem positiven „es ist“ folgen negativ „nicht“ und ebenso negativ „ungewöhnlich“.

Welch ein Sprachbild!!!

Wie leicht könnte man mit einem „es ist gefährlich“, „es ist gewöhnlich“ oder auch „es ist bedeutend“ formulieren.
Allein mit dem Gebrauch der Wörter „kein“ und „nicht“ wird eine erhebliche Verzerrung unseres Sprachbildes vorgenommen.

Reinholds Mutter hat die Sprache als eine Kostbarkeit bezeichnet, die es in reiner Form zu bewahren gilt. So vergleicht sie die Sprache mit einem zarten Band, fein gespannt und leicht geschwungen. Die Dialekte seien darauf wie ein Spiel der verschiedensten Farben.

Ebenso als weitere Beispiele nannte sie die Amtssprache oder sogar die militärische Sprachform. Wenn diese gut formuliert würden, wären sie ebenfalls ein Teil des Bandes.

Die eben angeführten Beispiele hingegen bezeichnet sie in Bezug auf das Band  als Knitterfalten oder gar Knoten.

Von Schopenhauer hat sie mir folgendes vorgelesen:

„…dass im Sprachgebrauch hier zu Lande mehr dem abstrakten und unbestimmten Ausdruck anstatt dem konkreten der Vorzug gegeben wird, wie zum Beispiel “nicht ohne Dieses“  statt „durch Dieses“ und daher immer noch Hintertürchen offen bleiben, die denen gefallen, welchen das stille Bewusstsein ihrer Unfähigkeit eine beständige Furcht vor allen entschiedenen Ausdrücken einflößt.“

Bei meinem Besuch ist es mir übrigens immer mehr gelungen, meine Fragen und Feststellungen „positiv“ zu formulieren.

Da mir einerseits sehr daran gelegen ist, eine Frage schlüssig beantworten zu können, möchte ich auch andererseits durch unkomplizierte Fragestellung anderen die Möglichkeit für eine ebenso unkomplizierte Antwort geben.


Wenn du einmal in unseren Sprachraum hinein hörst oder auch liest, wirst du über die Vielfalt der Verzerrungen staunen.
Mir erscheint es oft so, als wäre hier so etwas wie eine Kunstsprache entstanden. So manche Aussprachen muten ja auch wie kleine Kunstwerke an.

Ich für mich habe jedoch beschlossen zum Beispiel zu sagen:

„ich bin“ und „ich habe“,

anstatt zu sagen

„ich bin nicht“ und „ich habe nicht“  


Und es tut mir wirklich leid, dass ich gelacht habe. An meiner Höflichkeit muss ich halt noch arbeiten.

Okay, das geht schon in Ordnung.

Okay!!!??  Ach du meine Güte!!

Nein, darauf möchte ich jetzt aber nicht mehr eingehen.


Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü